Heute ist der Weltflüchtlingstag. UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi appellierte letzte Woche in einer Video-Botschaft an die zum  DW Global Media Forum nach Bonn gereisten Journalisten, die Fluchtursachen in den Vordergrund ihrer Berichterstattung zu stellen.

“Mehr als 60 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht”, erklärte Grandi. “Doch anstatt die Kriege zu verurteilen, verurteilen wir die Menschen, die vor den Kriegen und Konflikten fliehen.”

Der syrische Bürgerkrieg ist die schlimmste humanitäre Krise unserer Zeit. Der seit fünf Jahren  wütende Krieg hat bereits 470.000 Menschen das Leben gekostet, direkt oder indirekt, laut dem Syr­ian Cen­ter for Pol­icy Research (SCPR).  Mehr als  4,8 Millionen Syrer sahen sich gezwungen, ihr Land zu verlassen. Über 428.000 von ihnen sind im vergangenem Jahr nach Deutschland geflohen.

Einer ist Rami, der seit  Oktober in Bonn lebt. Seine Fluchtgeschichte hat er für  Col­let­tivo Antigone aufgeschrieben, ein interkultureller Blog aus Italien, der sich Migration beschäftigt. (Der Text wurde von Johanna Schäfer ins Deutsche übersetzt.) In einem  bundesstadt.com Podcast erzählt Rami ausführlich über sein Leben in Syrien vor und während des Krieges und seine Flucht nach Deutschland.

Das ist Ramis Geschichte.

Hallo Zusammen,

ich bin Rami und komme aus Syrien. Maria habe ich in der Bonner Zentralbibliothek (Haus der Bildung) beim ersten Buchclub-Treffen im April kennengelernt. Bei diesem Anlass hat Larissa Bender uns ihr Buch “Innenansichten aus Syrien” vorgestellt, eine Geschichtensammlung mit Interviews und Augenzeugenberichten aus dem Syrischen Krieg. Maria bot mir ihre Hilfe beim Deutschlernen an und so begannen wir uns regelmäßig zu treffen. Außerdem stellte sie mir ihren interkulturellen Blog vor und lud mich ein über meine Reise von Syrien nach Deutschland zu berichten.

Syrien war ein sehr schönes Land bevor der Krieg begann – ein friedvolles und glückliches Land. Plötzlich, urplötzlich, fanden wir uns in der Hölle wieder. Wir konnten nicht glauben, dass das, was in Syrien vor sich ging, real war… Am Anfang dachten wir, es wäre nur eine Frage der Zeit, dass wir zu unserem alten Leben zurückkehren können.

Zu dieser Zeit arbeitete als Buchhalter im syrischen Finanzministerium und studierte im Master Studiengang “Banking & Finance”. Wir lebten lange in der Hoffnung, dass dieser Krieg bald enden würde, doch er dauerte weiter an.

Und so entschied ich mich aus meinem Heimatland mit meinem älteren Bruder zu fliehen: wir starteten im Libanon und wir mussten ein Boot von dort in die Türkei nehmen. Im Hafen von Tarablus waren mehr als 10.000 Syrer mit vielen Babies. Es war sehr traurig mit anzusehen, dass all diese Menschen, so wie ich, ihr altes Leben zurücklassen mussten, um einen Neuanfang in einem Land zu wagen, das sie zuvor noch nie gesehen hatten.

 ©Francesco Malavolta
©Francesco Malavolta

Wir mussten 48 Stunden warten bevor die libanesische Polizei uns erlaubte an Bord zu gehen. Während wir warteten, habe ich viele Menschen getroffen, die mit mir ihre Pläne und Ideen teilten. Die meisten Menschen wollten Deutschland erreichen, weil Kanzlerin Merkel verkündet hatte: “Flüchtlinge aus Syrien sind in Deutschland willkommen”. Manche wollten nach England, da sie Englisch sprachen, andere wiederum nach Schweden, weil Familienangehörige dort bereits lebten.

Das Schiff fuhr um 10 Uhr morgens los. Es war meine allererste Bootsfahrt. Um vier Uhr nachmittags kamen wir in der Türkei an. Das Dorf in dem wir ankamen, war sehr klein. Von dort nahmen wir einen Bus nach Azmer. Diese Reise dauerte 15 Stunden und von Azmer ging es in die schöne kleine Stadt namens Cesma. In der Türkei war es schwer mit den Menschen zu kommunizieren, da die meisten von ihnen kein Englisch sprachen und von uns niemand Türkisch beherrschte. Wir buchten einen Raum in einem Hotel und nun konnte ich endlich nach 4 erschöpfenden Tagen eine Dusche nehmen und anständig schlafen. Nach 3 Tagen in Cesma lernten wir einen Schmuggler kennen und setzen nach Griechenland über. Um 5 Uhr nachmittags begann die Reise bei der wir nach 12 Stunden (um 5 Uhr morgens) auf einer schönen Insel in Griechenland ankamen. Nur wenige Stunden später nahmen wir eine Fähre nach Athen, wo wir um 1 Uhr mittags eintrafen. Wir entschieden uns, unsere Reise mit 2 weiteren Syrern fortzusetzen.

Wir verbrachten 2 Tage in Athen und bereiteten uns auf den zweiten Teil unserer Reise vor. Wir mussten Jacken, Kleidung und Lebensmittel kaufen, da wir von den Schmugglern dazu aufgefordert wurden, all unser Hab und Gut in der Türkei zu lassen. Wir nahmen einen Bus zur mazedonischen Grenze und passierten sie einfach, um anschließend mit dem Zug nach Serbien zu fahren. Von da an mussten wir 3 Stunden in der Mittagssonne marschieren – manche wurden ohnmächtig, andere bekamen einen Hitzschlag. Glücklicherweise ging es aber auch noch manchen aus unserer Gruppe gut. Ein Bus fuhr uns von dort nach Budapest, wo wir feststellen mussten, dass Ungarn die Grenzen geschlossen hatte, was für uns bedeutete, dass wir dort ein paar Tage stecken blieben, bis Kroatien die Grenzen für Flüchtlinge öffnete. Sofort als wir ankamen, trafen wir Menschen aus zahlreichen Ländern: Iran, Irak, Afghanistan, Pakistan, Indien, Bangladesch und natürlich aus Syrien. Am frühen Morgen reisten wir mit dem Zug nach Zagreb. Dort blieben wir eine Weile bevor wir nach Österreich aufbrachen. Zu diesem Zeitpunkt realisierte ich, dass der schlimmste Teil der Reise hinter mir lag und es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis wir unser Reiseziel erreichen: Deutschland.

Als wir in Deutschland ankamen, fanden wir viele lächelnde Menschen vor, die uns zuwinkten. Den ersten Satz, den ich in Deutschland hörte, lautete: “Welcome to Germany. You are finally safe here.”

Von Rami aus Syrien

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